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Das große Geld in der Pflege. Der ehrliche Blick eines Business Angels

Olav Sehlbach ist seit 30 Jahren leidenschaftlicher Unternehmer und Business Angel in der Pflegebranche. Mit ihm haben wir über Startups, das nötige Geld und Innovation gesprochen.

Porträt von Pflege-Unternehmer & Business Angel Olav Sehlbach
Pflege-Unternehmer & Business Angel Olav Sehlbach

Olav Sehlbach ist leidenschaftlicher Unternehmer und Business Angel mit fast 30 Jahren Erfahrung in der Pflegebranche. Vor knapp 30 Jahren gründete Olav Sehlbach das Unternehmen, das die Grundlage für alle weiteren Stationen und Abenteuer werden sollte: "Olav Sehlbach - Beratung und EDV für soziale Einrichtungen". Seitdem hat er in zahlreiche Startups investiert und sich auf die Beratung von Pflegeeinrichtungen und Institutionen in der Pflegebranche spezialisiert.

Nur weil sie eine gute Idee haben und irgendwas viral geht, heißt das noch lange nicht, dass es irgendeiner kauft.

Im Jahr 2012 gründete Sehlbach gemeinsam mit anderen die TAOS GmbH. Sie führten die Mitarbeiterbefragung & Zertifizierung Attraktiver Arbeitgeber Pflege ein und widmeten das Unternehmen 2016 in die heutige sehlbach & teilhaber gmbh um. Die Firma konzentriert sich auf Mitarbeiter- und Kundenbefragungen sowie auf die Entwicklung von Strategien und Vermarktungskonzepten für professionelle Pflegeeinrichtungen und Institutionen, die sich in der Pflegebranche engagieren.

Im Jahr 2023 initiierte Sehlbach den Care Venture Circle, ein Netzwerk von in der Pflege aktiven Business Angels mit dem gemeinsamen Ziel neue Konzepte in der Pflege zu fördern und unter dem Motto "Innovationen in die Pflege fördern" Startups der Pflege- und Sozialwirtschaft bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Neben Sehlbach gehört zum Vorstand Dr. Stefan Arend, Inhaber des Instituts für Sozialmanagement und Neue Wohnformen, sowie Stephan Bals, CEO der digatus it group AG.

Als Business Angel hat Sehlbach in verschiedene Start-ups investiert, darunter Workbee, ein HR-Start-up, das eine Million Euro von verschiedenen Investoren und Business Angels erhalten hat, und heynanny, ein Münchner HR-Tech-Unternehmen, das sich 1,6 Millionen Euro gesichert hat.

Im Podcast spricht Olav Sehlbach mit Christoph Schneeweiß über die Regeln einer Branche, die sich langsamer bewegt als die meisten anderen, die kleine Welt der Startup-Investoren im Pflegemarkt und wonach er entscheidet, in welche Startups er und sein Netzwerk investiert.


Wenn wir Glück haben.

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Das ganze Gespräch von Pflege Digital
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00:32 Christoph Schneeweiß: Herzlich willkommen bei Pflege Digital, dem Digital-Podcast für die Pflegebranche. Ich habe heute Olaf Sehlbach zu Gast. Normalerweise würde ich an dieser Stelle jetzt etwas zu seiner Funktion und zu dem Unternehmen etwas sagen. Das fällt heute etwas schwerer, denn Olaf ist jemand, der sehr viele Hüte gleichzeitig auf hat. Daher ist es wahrscheinlich am besten, wenn du dich mal selbst vorstellt Olaf. Hallo

Es wird noch einige radikale Umbrüche geben müssen, weil wir die Art der Pflege, wie wir sie im Moment ambulant stationär betreiben, nicht mit den Zahlen von 2035 schaffen.

00:55 Olav Sehlbach: Hallo Christoph, herzlichen Dank für die Einladung! Ich stell mich gerne vor. Drei Hüte, sage ich immer. Ich bin seit fast 30 Jahren in der Pflege tätig und wenn ich die Zeit, wo mein Vater in der Pflege tätig war, dazu packe, sind's inzwischen 40. Rolle eins: Ich habe mich 1995 als Berater selbstständig gemacht und seitdem berate ich Pflegeeinrichtungen viele Jahre im Thema Marketing und Belegungsmangement.

Daraus folgte dann die Kundenbefragung, die wir heute noch machen, und vor allen Dingen die Mitarbeiterbefragung Attraktive Arbeitgeber Pflege. Das ist das Berliner Büro und der zweite Hut, den ich auf hab. Ich hatte 2018 die Möglichkeit in eine Trägergruppe mit einzusteigen. Ich hatte zur Jahrtausendwende schon mal die Idee, was eine eigene Trägerschaft angeht, und 2018 gab es eine Möglichkeit, mit Kollegen in eine Trägergruppe einzusteigen, mit sechs Pflegeheimen, einer Pflegeschule und einer Mutter-Kind-Klinik. Da war ich jetzt zweieinhalb Jahre Geschäftsführer operativ. Das ist jetzt aber nicht mehr der Fall. Ich bin jetzt eher Gesellschafter und werde designierter Aufsichtsratsvorsitzender.

Und der dritte Hut ist - und deshalb treffen wir uns hier heute ja auch in erster Linie -, dass ich seit 2012 eine Startup-Finanzierung mache.

02:10 Christoph Schneeweiß: Es ist ein total spannendes Thema. Ich habe hier im Podcast im Rahmen der Tech-Talks die Startups. Auf der anderen Seite aber auch die Betreiber, die ja gerne auf die Lösung dieser Startups, aber später dann auch der Grown-ups zurückgreifen. Aber die Finanzierungsseite dieser jungen Unternehmen, die hatten wir noch nicht im Podcast.

Ich glaube, es ist ein sehr spannendes Thema und du bist ein prädestinierter Gast dafür, weil du eben beide Seiten kennst - sowohl die ganze Start-up-Thematik als auch die Betreiber-Thematik. Was treibt diese zwei Welten an?

Du hast allerdings noch nicht immer in Pflege-startups selbst investiert. Kannst du dich an dein allererstes Investment noch erinnern?

02:47 Olav Sehlbach: Ja, das kann ich ganz gut. Das war eine Online-Bibliothek für Recherche. Die sollte sich an Studenten richten, die Bücher online lesen und mit epubs durchführen, anstatt in die Stadtbibliothek zu gehen. Das klang total spannend und ein guter Freund hat mich darauf gebracht. Ein Freund, der selber ein Startup gegründet hat, in mehreren investiert war, fragte mich: "Hey, Du bist unternehmerisch tätig, Du hast Spaß an Neuem. Wäre nicht Startup-Finanzierung eine Idee, die dich interessieren würde?" Dann bin ich neugierig geworden und bin so 2012 zu meinem ersten Investment gekommen.

03:30 Christoph Schneeweiß: Was macht das Investment heute?

03:31 Olav Sehlbach: Pleite.

03:36 Christoph Schneeweiß: Ja, ich glaube, mit diesem Schmerz muss man als Startup-Investor umgehen können, oder?

03:42 Olav Sehlbach: Um das vorwegzunehmen: Startup-Investitionen sollte man nicht mit Geld tun, was man für irgendetwas braucht. Startup-Investitionen sind Hochrisiko-Kapital. Man muss ertragen, dass es weg ist. Es ist auch nicht so, dass man weniger wieder bekommt. Es ist einfach weg.

Wir lesen immer von den tollen Startups, wir lesen von den Einhörnern und die kennen wir komischerweise auch alle. Aber es gibt eben tausende andere, die wir nicht kennen und das hat seinen Grund. Weil es die meisten davon nicht geschafft haben. Als Investor muss man das aushalten – oder sollte man aushalten.

04:14 Christoph Schneeweiß: Auf Startup-Seite kann ich das nur bestätigen. Wir haben keine Investoren im Hintergrund, aber trotzdem viele Tage fühlen sich wie Entscheidungen auf Leben und Tod an. Ein junges Unternehmen ist einfach noch so ein fragiles Konstrukt. Da kann eine falsche Entscheidung direkt das Aus bedeuten und das ist natürlich dann aus Investoren-Sicht auch schade, weil man hat tatsächlich viel Zeit und Geld rein investiert.

Auf der anderen Seite hattest du ja aber auch branchenfremd erste Erfolge, wie ich auf der Website gesehen habe.

04:43 Olav Sehlbach: Durchaus auch einige Misserfolge. Es gibt ja auch die berühmte Fuck-up-Seite, wo sie beschrieben sind.

Die Fuck-ups von Olav Sehlbach

04:52 Christoph Schneeweiß: Olaf hat auf seiner Seite vom Büro Sehlbach auch eine sogenannte Fuck-up-Seite. Da steht ganz transparent drauf, wo er investiert hat und was nicht geklappt hat. Das machen nicht viele Investoren. Die schmücken sich lieber mit den Erfolgen.

05:10 Olav Sehlbach: Ich habe sehr viel Glück gehabt, muss man ganz klar sagen. Ich habe eine Investition, wo ich null mit gerechnet habe, wo dann im Investor-Sprech Faktor 17 rauskam. Sprich man hat das 17-Fache von dem bekommen, was man reingesteckt hat. Und das hat dann vieles kompensiert. Das ist das, warum man das auch macht, aber es ist nicht das, was man planen kann, dass man so einen Faktor bekommt.

Erstens schaffte das dann auch Möglichkeiten, überhaupt wieder zu investieren, weil natürlich sind Budgets begrenzt oder müssen begrenzt sein, denn es gibt immer wieder Ideen, die man machen könnte und immer wieder was Spannendes. Durch diesen Exit gab es eben die Möglichkeit wieder zu investieren.

05:51 Christoph Schneeweiß: Hast du dann bewusst von dir aus gesagt: "Jetzt habe ich in einigen Sachen außerhalb der Pflege gutes Geld verdient, an anderen habe ich mir die Finger verbrannt. Ab sofort setzte ich nur noch auf Pflege-Startups." Oder war das ein fließender Übergang?

06:05 Olav Sehlbach: Das war ein fließender Übergang. Ich bin ja auch noch beteiligt an zwei, drei Sachen, die nicht Pflege sind, weil einfach auch manche Geschichten etwas länger laufen, als man sich das vorgestellt hat. Der Exit, der in einem der Unternehmen vor fünf Jahren geplant war, findet jetzt vielleicht in 2025 statt - wenn wir Glück haben. Also da hat man dann auch Beteiligungen, die hat man einfach noch und da kommt man auch nicht raus.

Mit der Pflege, das hat damals mit Wer Pflegt Wie angefangen. Nach und nach lernt man natürlich auch die Pflegeszene kennen - und die professionalisierte sich ja dann auch mit Care for Innovation.

Da passierte dann auch immer mehr. Es wurde lauter in der Branche und das interessierte mich natürlich auch fachlich viel mehr. Dann habe ich irgendwann gesagt: Jetzt nur noch hier. Ich vermarkte ja selber seit 30 Jahren Produkte in die Pflege. Da verstehe ich, wie schwierig oder wie einfach das ist.

06:55 Christoph Schneeweiß: Mittlerweile hat sich natürlich auch die Finanzierungs-Szene ein bisschen geändert. Viele Gründer und Gründerinnen schauen natürlich auch darauf, dass sie auch ein bisschen Smart-Money mit an den an den Tisch bekommen. Smart Money heißt in dem Sinne, dass es nicht nur das reine Kapital ist, sondern eben auch ein großes Netzwerk und eine bestimmte Branchen- und Funktions-Expertise.

Das ist natürlich dann bei dir ganz gut aufgehoben: 30 Jahre Branchen-Erfahrung, selber Geschäftsführer, jetzt Gesellschafter bei einem Betreiber. Also was viel Besseres gibt's ja nicht für jemanden der im Age-Tech oder Care-Tech ein Startup aufbaut.

In welche Startups hast aktuell investiert? Kannst du da vielleicht zwei, drei nennen?

Die besten Investitionen in der Pflege

07:36 Olav Sehlbach: Ja, gerne. Ein Beispiel wäre Novaheal, die sich darum kümmern, die Pflegeausbildung zu digitalisieren. Was ich ganz spannend finde ist Navel Robotics – soziale Robotik, wo ein Roboter durch Mimik und eben nicht nur mit Sprache kommuniziert. Oder Melli, ein Chatbot der Menschen in ihrer Häuslichkeit Einsamkeit entgegenwirken will und Leute in Gemeinschaft bringen will. Das ist ein Startup, das ich ganz spannend fand, weil die Gründer selber einen ambulanten Dienst haben und bei ihren Kunden gesehen haben: hey, da ist ein Bedarf.

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